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Wird ein Bauvertrag vorzeitig durch den Auftraggeber gekündigt und werden beauftragte Bauleistungen deshalb nicht vollständig oder gar nicht ausgeführt, ist für die nicht ausgeführte Leistung keine Umsatzsteuer zu zahlen (BGH, Urteil – VII ZR 83/05 – vom 22.11.2007).
Sachverhalt
Der Auftraggeber ist berechtigt einen Bauvertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Frist und ohne Begründung zu kündigen. Folge der so genannten freien Kündigung des Vertrages ist einheitlich nach § 649 Satz 2 BGB für den BGB-Vertrag und nach § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B für den VOB-Vertrag, dass der Auftragnehmer trotz der Vertragskündigung die vereinbarte Vergütung, die ihm bei vollständiger Ausführung der Bauleistung zugestanden hätte, in voller Höhe verlangen kann. Abzuziehen sind von der vereinbarten Vergütung grundsätzlich nur Kosten, die der Auftragnehmer aufgrund der vorzeitigen Vertragsbeendigung erspart (z. B. Kosten für nicht erforderliches Baumaterial), und Einkünfte, die der Auftragnehmer hat, weil er andere Aufträge ("Füllaufträge"), die er sonst nicht übernommen hätte, aufgrund der vorzeitigen Vertragsbeendigung ausführt. Da dem Auftragnehmer somit auch bei einer vorzeitigen Kündigung des Vertrages die Vergütung – abzüglich ersparter Kosten und eventuell durch andere Füllaufträge erzielte Einkünfte - in voller Höhe zusteht und er mithin keinen finanziellen Nachteil hat, ist die jederzeitige Kündigung des Vertrages durch den Auftraggeber nach § 649 BGB und § 8 Nr. 1 VOB/B uneingeschränkt zulässig.
Entscheidung
Mit dem Urteil – VII ZR 83/05 – vom 22.11.2007 hat der Bundesgerichtshof (=BGH) entschieden, dass der Auftragnehmer bei einer vorzeitigen Vertragskündigung zwar die vereinbarte Vergütung in voller Höhe verlangen kann, auf den nicht ausgeführten Teil der Bauleistung aber keine Umsatzsteuer zu zahlen ist. Diese Rechtsprechung gab es schon vorher. Der BGH hatte aber immer erklärt, dass er über die Besteuerung der nicht ausgeführten Leistung wegen der Notwendigkeit eine einheitlichen Besteuerung innerhalb der Europäischen Union nicht abschließen entscheiden kann und hierzu eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft notwendig sei. Im Urteil vom 22.11.2007 führt der BGH nun unter Hinweis auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft – C-277/05 - vom 18.07.2007 aus, dass auch nach der Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft nicht ausgeführte Bauleistungen nicht zu versteuern sind und diese Frage damit abschließend geklärt ist.
Praxistipp
Das Urteil des BGH vom 22.11.2007 beseitigt eine Unsicherheit, die zu der Besteuerung nicht ausgeführter Bauleistungen lange Zeit bestand. Bei der Abrechnung eines vorzeitig gekündigten Bauvertrages sind nach der Rechtsprechung schon bisher die ausgeführten und nicht ausgeführten Bauleistungen gesondert aufzugliedern, weil sonst die nicht ausgeführten Leistungen – z. B. unter Berücksichtigung möglicherweise ersparter Kosten – nicht nachvollziehbar zu bewerten sind. Die Differenzierung zwischen ausgeführten und nicht ausgeführten Leistungen ist jetzt zusätzlich notwendig, um festzustellen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Verpflichtung zur Zahlung der Umsatzsteuer besteht.
Rechtsanwalt Zander, Hameln
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Das Urteil des BGH vom 22.11.2007 - VII ZR 83/05 - lesen und ausdrucken: bgh_urt._v._22.11.2008.pdf (88 KB)