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Architekt führt kein Bautagebuch: Honorarkürzung!

28.04.2022

Führt der Architekt kein Bautagebuch, obwohl er dazu verpflichtet ist, kann der Auftraggeber das berechnete Architektenhonorar mindern (BGH, Urteil - VII ZR 65/10 - vom 28.07.2011).

Sachverhalt

Ein Architekt war im Rahmen der Modernisierung, der Instandsetzung und des Ausbaus von drei Gebäuden mit der Erbringung von Architektenleistungen gemäß den Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI beauftragt. Mit dem Architektenvertrag vereinbarten die Parteien, dass für Inhalt und Umfang der Leistungspflichten des Architekten das Leistungsbild des § 15 Abs. 2 HOAI entsprechend gilt, soweit keine abweichenden Vereinbarungen getroffen werden. Zusätzlich vereinbarten die Parteien, dass der Architekt die Grundleistungen zu erbringen hat, die die Baumaßnahme erfordert. Nach Beendigung der Baumaßnahme und Erteilung der Schlussrechnung kommt es zum Streit über die Honorarhöhe, weshalb der Architekt den Auftraggeber auf Zahlung des restlichen Architektenhonorars verklagt. Mit einer Widerklage wendet der Auftraggeber gegen die Honorarforderung u. a. ein, dass der Architekt kein Bautagebuch geführt habe. Aus diesem Grund sei er berechtigt, dass Architektenhonorar zu mindern. Beim Landgericht Berlin und beim Berufungsgericht (Kammergericht = KG) hat der Auftraggeber mit seiner Argumentation keinen Erfolg. Das Berufungsgericht, das damit das Urteil des Landgerichts bestätigt, beanstandet, dass der Auftraggeber mit seiner Widerklage schon nicht begründet habe, zu welchem Zweck er das Bautagebuch überhaupt benötigt. Zudem sei das Führen eines Bautagebuchs zur Vertragserfüllung nicht erforderlich. Aus beiden Gründen sei eine Minderung des Architektenhonorars nicht gerechtfertigt. Der Auftraggeber legt Revision ein, über die der BGH entscheidet, und bekommt Recht.

Entscheidung

Der BGH betont mit dem Urteil - VII ZR 65/10 - vom 28.07.2011 die besondere Bedeutung des Bautagebuchs, wozu er ausführt: Das Bautagebuch hat den Zweck, das Baugeschehen mit allen wesentlichen Einzelheiten zuverlässig und beweiskräftig festzuhalten. Diese Dokumentation kann insbesondere bei Störungen des Bauablaufs oder Auseinandersetzungen mit anderen Baubeteiligten von großer Bedeutung sein. Dieses Dokumentationsinteresse besteht nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Bauten im Bestand, also Modernisierung, Instandsetzung und Ausbau. Gerade bei diesen Maßnahmen kann es von großer Wichtigkeit sein, Abweichungen vom vorausgesetzten Bestand und sich daraus ergebende Probleme zu dokumentieren, weil sie erfahrungsgemäß Grundlage von Nachtragsforderungen der Bauunternehmer sein können. Vor diesem Hintergrund ist der Auftraggeber nicht gehalten, konkret darzulegen, wozu er das Bautagebuch benötigt und welche einzelnen Angaben er dem Bautagebuch entnehmen will.

Der BGH stellt weiter klar, dass der Architekt vertraglich auch verpflichtet war, ein Bautagebuch zu führen. Das "Führen eines Bautagebuches", das als Grundleistung in der Leistungsphase 8 des § 15 Abs, 2 HOAI aufgeführt ist, gehört zum Leistungsbild der Objektüberwachung. Die Parteien hatten ausdrücklich vereinbart, dass für Inhalt und Umfang der Leistungspflichten des Architekten das Leistungsbild des § 15 Abs. 2 HOAI entsprechend gilt und damit auch die Grundleistungen der Leistungsphase 8 zu erbringen waren. Aus der zusätzlichen Vertragsvereinbarung, dass der Architekt nur die Grundleistungen zu erbringen hat, die die Baumaßnahme erfordert, ergibt sich nichts anderes. Denn das Führen eines Bautagebuchs ist aus den vorgenannten Gründen erforderlich.

Der BGH bestätigt mit dieser Begründung, dass der Auftraggeber berechtigt ist, das Honorar für die Leistungsphase 8 des § 15 Abs. 2 HOAI zu mindern, wenn der Architekt entgegen seiner Pflicht kein Bautagebuch geführt hat. Eine vorherige Aufforderung mit Fristsetzung, das Bautagebuch noch zu erstellen, ist nach den weiteren Ausführungen des BGH nicht erforderlich, da ein Bautagebuch nachträglich nicht mehr zuverlässig erstellt werden kann. Allerdings sei ein Architekt grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Auftraggeber das Original des Bautagebuchs auszuhändigen. Der Architekt habe ein berechtigtes Interesse daran, dass das Bautagebuch bei ihm verbleibt, da es auch dazu dient, gegenüber dem Auftraggeber eine ordnungsgemäße Bauüberwachung zu dokumentieren. Der Auftraggeber kann daher nur verlangen, dass ihm eine Fotokopie des Bautagebuchs ausgehändigt wird.

Praxistipp

Das Urteil ist noch zu der alten HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) ergangen. Die HOAI wurde geändert und seit dem 19.08.2009 ist die neue HOAI in Kraft, die sogenannte HOAI 2009. In der neuen HOAI sind die einzelnen Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 des früheren § 15 Abs. 2 nunmehr mit der Anlage 11 zu den §§ 33 und 38 Abs. 2 der HOAI 2009 aufgelistet. Eine Änderung der Leistungen ist dadurch aber nicht erfolgt. Zu den Leistungen der Leistungsphase 8 gehört weiterhin das "Führen eines Bautagebuches". Daher gilt das Urteil des BGH uneingeschränkt auch für die neue HOAI.

Unklar war im dem vom BGH entschiedenen Fall, ob der Architekt tatsächlich kein Bautagebuch geführt hatte oder sich nur weigerte, das Bautagebuch dem Auftraggeber auszuhändigen. Der BGH verwies die Sache zur weiteren Aufklärung deshalb an das Berufungsgericht zurück.

Rechtsanwalt Zander, Hameln
Kanzlei für Baurecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Notar



Das Urteil des BGH - VII ZR 65/10 - vom 28.07.2010 lesen und ausdrucken:
bgh_urteil_v._28.07.11.pdf (413 KB)